Seele

Nichts scheint komplizierter zu sein, als das Wort Seele klar zu beschreiben und zu definieren. 

Gehen wir auf das Wort Psyche zurück, griechisch für Seele, Atem, Schmetterling. dann bedeutet es soviel wie Ort menschlichen Fühlens und Denkens. So ist die Psychologie eine empirische Wissenschaft, die menschliches Leben und Verhalten erklären will.

Als Sitz oder körperlicher Träger der Seele erscheinen in den verschiedenen Kulturen unter anderem der Kopf, die Kehle, das Herz, die Knochen, die Haare und das Blut. Nach Descartes ist die Zirbeldrüse das Organ, das mit der immateriellen Seele kommuniziert. 

Einerseits gilt die Seele als Verbindungsglied zwischen Geist und Körper, andererseits wird sie auch dem Geist, der kognitiven Einsicht und der Verbindung zu Gott zugeschrieben. 

Die alten indischen Lehren gehen davon aus, dass der menschliche Körper von einer Vitalseele beseelt wird, die zugleich Träger des individuellen Selbstbewusstseins (Ich-Seele) ist. Die Seele stirbt nicht, sondern wird wiedergeboren oder wird nach Vollendung der Reise eins mit Brahman.

Im traditionellen chinesischen System der universellen Klassifizierung ist die P'o-Seele dem dunklen, weiblichen Yin-Prinzip und der Erde zugeordnet. Sie entsteht mit dem Embryo. Die Hun-Seele ist dem männlichen, hellen Yang-Prinzip und dem Himmel zugeordnet. Sie entsteht, wenn der Mensch bei seiner Geburt ins Licht kommt.

Sokrates und Platon setzen die Seele sowohl ethisch als auch kognitiv mit der Person gleich. Da allein die Seele eine Zukunft über den Tod hinaus hat, kommt es nur auf ihre Förderung und ihr Wohlergehen an. Wegen ihrer Gottähnlichkeit als unsterbliches Wesen steht es ihr zu, über den vergänglichen Körper zu herrschen.

Die inneren Konflikte der Menschen erklärt Platon damit, dass die Seele aus verschiedenen Teilen bestehe, einem vernunftbegabten (logistikón) mit Sitz im Gehirn, einem triebhaften, begehrenden (epithymētikón) mit Sitz im Unterleib und einem muthaften (thymoeidēs) mit Sitz in der Brust. Der muthafte Seelenteil ordnet sich leicht der Vernunft unter, der begehrende Teil neigt dazu, sich ihr zu widersetzen. 

Da Platon jede selbständige Bewegung als Beweis für Beseeltheit betrachtet, hält er nicht nur Menschen, Tiere und Pflanzen, sondern auch die Gestirne für beseelt.

Jakob Lorber unterschied zwischen dem Leib, der als menschengestaltig beschriebenen Seele und dem reinen Geist, der in der Seele wohne und zu ihrer Leitung berufen sei. Die Aufgabe der Seele sei es, sich dem Geistigen zu öffnen und sich nach dem Geist zu richten.

Rudolf Steiners Auffassung zufolge gibt es eine „dreigliedrige Einteilung der menschlichen Wesenheit“. Die drei Glieder sind Körper, Seele und Geist. Auch die Seele weist eine Dreigliederung auf; sie sei aus der Empfindungsseele, der Verstandes- oder Gemütsseele und der Bewusstseinsseele zusammengesetzt. 

Natürlich gibt es auch materialistische und philosophisch-materialistische Anschauungen, die den Begriff der Seele ablehnen.

Meines Erachtens scheint die Seele und der Geist eine Kraft zu sein, die das Leben des Individuums und der Gesamtheit zielgerichtet steuert oder zumindest steuern kann. Ich halte es auch mit der platonischen Sicht, dass Menschen, Tiere, Pflanzen und Gestirne (und Steine) beseelt sind. 

Die Feinstofflichkeit ist sozusagen ein Bindeglied von Körper, Geist und Seele.